Sozialer Austausch stärkt kritisches Bewusstsein über Lerndaten
18.06.2025
Interdisziplinäre Studie zeigt: Lernende teilen zunächst bereitwillig ihre Daten. Durch Gruppengespräche verändert sich diese Bereitschaft jedoch.
18.06.2025
Interdisziplinäre Studie zeigt: Lernende teilen zunächst bereitwillig ihre Daten. Durch Gruppengespräche verändert sich diese Bereitschaft jedoch.
Die digitale Transformation des Bildungswesens führt zu einer zunehmenden Sammlung von Lerndaten. Doch welche Rolle spielen soziale Interaktionen bei der Entscheidung, diese Daten mit anderen zu teilen? Eine kürzlich im Fachmagazin Humanities Social Science Communications erschienene Studie unter Leitung von Dr. Louis Longin vom Lehrstuhl für Philosophy of Mind der LMU und Forschenden der Technischen Universität München (TUM) liefert dazu neue Erkenntnisse: Lernende werden durch Diskussionen mit anderen deutlich vorsichtiger im Umgang mit ihren Daten.
„In verschiedenen Fachkreisen sprechen wir viel über die ethische Nutzung von Daten, aber bislang wurde kaum erforscht, wie Einzelne besser in diese Entscheidungen einbezogen werden können", erklärt Longin. „Durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit hatten wir die Möglichkeit, interaktive Entscheidungsfindung in einen Bildungskontext zu bringen. Wir wollten verstehen, wie sich Gruppendiskussionen und kontextuelle Faktoren auf die Entscheidungsfindung auswirken."
Das Forschungsteam führte ein Experiment mit 60 Teilnehmenden durch. Diese bewerteten in verschiedenen Phasen – sowohl individuell als auch nach Gruppendiskussionen –, wie akzeptabel sie die Freigabe ihrer Lerndaten unter verschiedenen Bedingungen fänden.
Die Ergebnisse zeigen, dass Gruppendiskussionen das Bewusstsein von Lernenden für verschiedene Kontexte schärfen, in denen ihre Daten durch Bildungstechnologien erfasst werden. Ist es den Lernenden zum Beispiel wichtig, wer ihre Daten sammelt? Die Teilnehmenden unterschieden vor der Gruppendiskussion kaum zwischen verschiedenen Kontexten der gemeinsamen Datennutzung, aber die Diskussion veranlasste sie, vorsichtiger zu sein. Die Forschenden beobachteten auch, dass die Diskussionen verzerrt abliefen. Wenn die Lernenden über die gemeinsame Nutzung von Daten mit privaten Unternehmen sprachen, konzentrierten sich die Gespräche auf die Vorteile, während die Lernenden bei der gemeinsamen Nutzung derselben Daten mit staatlichen Stellen eher ihre Bedenken über den Datenfluss diskutierten.
„Der Effekt der Einbeziehung interaktiver Entscheidungsfindung in normalerweise von oben nach unten verlaufenden Ansätzen der fundierten Zustimmung ist wichtig. Es werden mehr Daten gesammelt, um das Lernen mit KI zu unterstützen, und es ist wichtig, die Lernenden mit Werkzeugen für bessere Entscheidungen auszustatten“, betont TUM-Professorin Oleksandra Poquet.
Die Ergebnisse haben laut den Forschenden weitreichende Konsequenzen für die Bildungstechnologien. „Die von uns vorgeschlagene Methode der interaktiven informierten Zustimmung könnte dazu beitragen, das Machtgefälle bei der Datenerhebung zu verringern“, meint Longin. „Durch die Integration von Gruppendiskussionen in Entscheidungsprozesse über die Zustimmung zur Datennutzung können Bildungseinrichtungen einen lernerzentrierten Ansatz fördern, der eine sinnvolle Auseinandersetzung mit Entscheidungen über die eigenen Daten ermöglicht.“
Darüber hinaus trage diese Forschung grundlegend zur Entwicklung eines Paradigmenwechsels weg von einer rein technischen Betrachtung des Datenschutzes hin zu einem partizipativen Modell bei, das die Lernenden aktiv in Entscheidungen über ihre Daten einbezieht. Sie werfe die Frage nach der kritischen Kompetenz auf, die erforderlich sei, um sich angemessen an diesen Entscheidungen zu beteiligen.
Louis Longin, Deisy Briceno, Oleksandra Poquet: Data sharing in learning analytics: how context and group discussion influence the individual willingness to share. Humanities Social Science Communications 2025.